Blackbox Vattenfall: Wie viele KundInnen hat der Grundversorger in Berlin?

Ein Beitrag von Jens-Martin Rode

Wie viele KundInnen hat der Stromversorger Vattenfall in Berlin? Wer eine Antwort auf diese scheinbar einfache und alltägliche Frage sucht, gerät unerwartet an eine Mauer des Schweigens. Denn Vattenfall selbst gibt dazu keine Auskunft. Die Bundesnetzagentur verweist als Regulierungsbehörde an die Zuständige Aufsichtsbehörde in Berlin. Doch auch die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe will die Zahlen nicht kennen. Dabei sind sich doch alle einig, dass Vattenfall mit den meisten HaushaltskundInnen der sogenannte "Grundversorger" in der Hauptstadt ist. Doch auf Grundlage welcher Zahlen eigentlich, wenn angeblich niemand weiß, wie viel Kundinnen Vattenfall aktuell hat? 

Eine IFG-Anfrage an den Berliner Senat: Keine Antwort unter dieser Nummer

Stromversorgung gehört zur öffentlichen Daseinsvorsorge. Ohne elektrische Energie z.B. zum Kochen, Waschen und zur Nutzung zahlreicher Haushaltsgeräte lässt sich im Raum der Metropole Berlin kaum ein normales Leben führen. Energieversorgung ist deshalb ein Thema, das alle etwas angeht. Die Frage, wer diese Energie gewinnt, liefert und daran verdient, ist darum keineswegs egal. 

 

Seit der Liberalisierung der Stromversorgung vor gut 20 Jahren gilt Vattenfall als der sogenannte "Grundversorger" in der Hauptstadt. Wer sich z.B. bei einem Umzug nicht aktiv oder rechtzeitig um einen Stromvertrag bei einem Anbieter seiner Wahl kümmert, landet automatisch beim Kohle- und Atomkonzern Vattenfall. Nach dem Verkauf der städtischen Bewag hatte Vattenfall zudem den Großteil der KundInnen des ehemals kommunalen Versorgers übernommen und profitiert daher von Image als Platzhirsch. Aber tut Vattenfall das eigentlich zurecht?

 

Nach dem Informationsfreiheitsgesetz haben Bürgerinnen und Bürger das Recht auf Information und Einsichtnahme in Unterlagen von Politik und Verwaltung, wenn es um öffentliche Belange geht. Gefragt, getan. Doch laut Antwort auf eine Anfrage über das Portal "Frag den Staat" von Anfang September 2019 zur Anzahl der Vattenfall-KundInnen in Berlin hat die Berliner Aufsichtsbehörde nach eigenen Angaben keine Kenntnis über die genaue Anzahl der Haushalte, die Strom von Vattenfall beziehen. 

 

"Dem Senat liegen keine Informationen darüber vor, wie viele Kunden durch Vattenfall beziehungsweise die Vattenfall Europe Sales GmbH in Berlin mit Strom versorgt werden." (IFG Anfrage #165930, 2019)

 

Doch wie die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe zugleich informiert, hatte der ebenfalls zum Vattenfall-Konzern gehörende Stromnetzbetreiber "Stromnetz Berlin GmbH" am 1. Juli 2018 den geltenden Grundversorger für die darauf folgenden drei Jahre festgestellt und der Senatsverwaltung schriftlich mitgeteilt.

 

"Die Festlegung des Grundversorgers ist in § 36 Absatz 2 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) geregelt. Grundversorger ist nach Satz 1 der Vorschrift jeweils das Unternehmen, das die meisten Haushaltskunden in einem Netzgebiet der allgemeinen Versorgung beliefert. (...) Nach § 36 Absatz 2 Satz 2 EnWG sind Betreiber von Energieversorgungsnetzen der allgemeinen Versorgung verpflichtet, alle drei Jahre jeweils zum 1. Juli den Grundversorger für die nächsten drei Kalenderjahre festzustellen sowie bis zum 30. September des Jahres im Internet zu veröffentlichen und der nach Landesrecht zuständigen Behörde schriftlich mitzuteilen. Erstmalig traf diese Pflicht die Netzbetreiber der allgemeinen Versorgung zum 1. Juli 2006.

 

Für das Berliner Verteilnetz der Stromnetz Berlin GmbH hat diese zum 1. Juli 2018 die Vattenfall Europe Sales GmbH als Grundversorgerin festgestellt." (IFG Anfrage #165930, 2019)

 

Auf welcher Grundlage kann denn der Grundversorger ermittelt worden sein, wenn nicht an Hand einer konkreten Anzahl an KundInnen oder einer in einem Zeitraum X belieferter Haushalte? Hier liegt die Vermutung mehr als nahe, dass die an den Berliner Senat erfolgte schriftliche Meldung eine Angabe über die Anzahl der KundInnen enthält. Alles andere würde bedeutet, dass der zum Vattenfall-Konzern gehörende Betreiber des lokalen Stromverteilnetzes lediglich anzugeben braucht, dass Vattenfall der Grundversorger sei, ohne dass die zuständige Aufsichtsbehörde dazu einen entsprechenden Beleg einfordert. 

Den Senat in die Pflicht nehmen: Darum braucht Berlin ein gutes Tranparenzgesetz!

Da das Thema Stromversorgung alle etwas angeht, steht der Senat in der Pflicht, eine entsprechende Auskunft zu erteilen und die dazugehörigen Unterlagen zu veröffentlichen. Das Thema "Stromversorgung" ist dabei nur ein Beispiel von vielen und zeigt, wie sehr sich die öffentliche Hand im Zuge der allgemeinen Privatisierungspolitik bereits zu Gunsten von Konzernen aus zentralen Bereichen der Daseinsvorsorge zurückgezogen hat. Damit der Senat verpflichtet wird, Auskunft zu geben und relevante Informationen aktiv zu veröffentlichen, haben zahlreiche Akteure aus der Zivilgesellschaft den "Volksentscheid Transparenz Berlin" gestartet. Bis zum 31.11.2019 sammel die Aktiven noch Unterschriften. Denn wer bei öffentlichen Themen wie z.B. der Stromversorgung am Ende gewinnt, muss für alle transparent sein. 

Quellen:

IFG Anfrage #165930 (2019, 5. September), "Anzahl der Vattenfall-StromKunden in Berlin (Privat/Gewerbe/öffentliche Hand)", Abgerufen 6. November 2019 von: https://fragdenstaat.de/anfrage/anzahl-der-vattenfall-stromkunden-in-berlin-privatgewerbeoffentliche-hand

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